„Gesundes Wohnklima – Beratung durch den Schreiner“

Seminar im Haus der Wirtschaft, Stuttgart

„Gesundes Wohnklima – Beratung durch den Schreiner“war das Thema eines Seminars, das am 15. Juni 2004 im Haus der Wirtschaft stattfand. Es wurde vom Landesfachverband Schreinerhandwerk Baden-Württemberg, der dort angesiedelten Umweltgemeinschaft im Schreinerhandwerk und vom Landesgewerbeamt Baden-Württemberg veranstaltet. Die Beteiligung übertraf alle Erwartungen: 75 Teilnehmer, davon mehr als 90 Prozent Schreiner, informierten sich und diskutierten Themen rund um das gesunde Wohnklima. Ziel des Seminars war es, Schreinern die fachlichen Zusammenhänge für ein gesundes Wohnklima deutlich zu machen und sie zu befähigen, Kunden kompetent zu beraten.

Dr. Wolfgang Bunk vom Werksärztlichen Dienst Wetzlar e.V. referierte über Innenraumbelastungen und ihre Auswirkungen. Die Belastungen können physikalischer (z.B. mangelhafte Lüftung, trockene Luft), biologischer (z.B. Hausstaubmilben, Schimmelpilze) und chemischer Art (z.B. Feinstäube, Kohlenwasserstoffverbindungen aus Lacken, Kunststoffen, Holzschutzmittel, Klebern sowie Formaldehyd vom Rauchen und aus Spanplatten) sein. Diese Belastungen zu reduzieren - dazu kann auch der Schreiner einen Beitrag leisten, beispielsweise durch die Produktauswahl (Beschichtungsstoffe mit blauem Engel, formaldehydarme Spanplatten, qualitätsgesicherte Produkte). Mit einfachen orientierenden Messmethoden kann sich der Schreiner einen Eindruck verschaffen, wie belastet ein Raum durch Milben, Schimmelpilze, Formaldehyd, Lösemittel und Pentachlorphenol (PCP) ist. Dr. Wolfgang Bunk stellte die Messmethoden vor, zeigte aber auch ihre Grenzen auf.

Bei Formaldehyd-Messungen vor Ort müssen genau definierte Messbedingungen eingehalten werden, die von einfachen Prüfeinrichtungen nicht gewährleistet werden können! Im Streitfall ist hier ein kompetentes Messlabor hinzuzuziehen. Für eine orientierende Messung können einfache Prüfröhrchen aus der Apotheke eingesetzt werden (Kosten ca. 21 Euro). Sie zeigen an, ob der Formaldehydgehalt in der Luft in einem kritischen Bereich liegt.
Die Messung der Luftfeuchtigkeit ist ein vergleichbar einfaches Verfahren, um das Risiko für erhöhte Schimmelpilzbildung messen zu können. Häufig wird zwar der Schimmelgeruch wahrgenommen, aber die Quelle ist nicht erkennbar. Um überhaupt zu entscheiden, ob diese Merkmale auf eine Schimmelbelastung zurückzuführen ist, kann eine orientierende Messung mit einem Probenaufsatz auf einem Staubsauger vorgenommen werden. Die Kosten für eine solche Probennahme liegen bei ca. 75 Euro.

Speziell trainierte Hunde können mit ihrer feinen Nase oft besser die Quelle der Schimmelbelastung ermitteln, wenn diese hinter der Wand oder im Boden zu suchen ist.

Seit der Energiekrise in den 70er Jahren wurden Innenräume mehr und mehr abgedichtet, so dass der Luftaustausch im Innenraum oft gering ist. Dies kann zur Konnzentration von Schadstoffen in Innenräumen führen. Richtiges Lüften (stoßweise, keine Dauerlüftung) ist deshalb sehr wichtig.

Materialien und ihre Auswirkungen

Dr. Dieter Zöltzer von der Forschungs- und Materialprüfungsanstalt Stuttgart nahm die Materialien im Innenraum unter die Lupe und zeigte ihre Auswirkungen auf. Innenraumbelastungen können auch Folge einer unsachgemäßen Verarbeitung (z.B. zu kurze Ablüftzeiten für Kleber) sein. Bedeutenden Einfluss auf die Innenraumluft haben, aufgrund ihrer Fläche, beispielsweise die Bodenbeläge. Eventuell auftretende Belastungen hängen davon ab, ob PVC, Kautschuk, Linoleum oder Parkett verarbeitet wurde. Will der Schreiner hier kompetent beraten, so muss er sich mit der Chemie und Physik der Materialien, ihrer Verarbeitung und möglichen Auslösern für Innenraumbelastungen beschäftigen.

Ursachen von Schimmelpilzen

Am Nachmittag standen zwei Vorträge zu Schimmelpilzschäden und ihrer Beseitigung auf dem Programm. Dr. Thomas Gabrio vom Landesgesundheitsamt und Philippe Sire, Experte in der Schimmelpilzbekämpfung, referierten und diskutierten mit den Teilnehmern. Schimmelpilze sind in fast allen Lebensräumen vorhanden und haben die wichtige Funktion, organische Substanzen zu zersetzen. Es gibt viele Tausend unterschiedliche Arten von Schimmelpilzen, die sich bezüglich ihrer Lebensräume, ihrer Eigenschaften und ihrer gesundheitlichen Wirkung sehr stark voneinander unterscheiden. Zu den entscheidenden Faktoren, die das Wachstum von Schimmelpilzen ermöglichen, zählen neben Feuchte verwertbare Substrate, günstige Temperatur und ein geeigneter pH-Wert. Gründe für das deutlich größer gewordene Interesse der Öffentlichkeit an der Schimmelproblematik ist die Zunahme von Schimmelpilzschäden in Innenräumen und die Unklarheit darüber, auf welche Ursachen die relativ hohe Sensibilisierung gegenüber Atemwegsallergenen in den westlichen Industrieländern zurückzuführen sind.

Für die Zunahme von Schimmelpilzschäden in Innenräumen gibt es folgende Gründe:

  • aufgrund der Wärmeschutzverordnung hat sich der natürliche Luftaustausch in Innenräumen verringert. Regelmäßiges Lüften ist erforderlich.
  • im Bauwesen werden in immer stärkerem Umfang organische Baustoffe verwendet, die bezüglich eines Schimmelpilzbefalls häufig anfälliger sind als entsprechende anorganische Stoffe.
  • die Bauzeit hat sich in den letzten Jahren deutlich verringert. Daher werden Neubauten oft schon bezogen, obwohl sie noch eine übermäßige Neubaufeuchte enthalten.
  • aufgrund der Wärmeschutzverordnung werden bei älteren Objekten häufig wärmeschutztechnische Sanierungen durchgeführt. Bei Teilsanierungen, wenn z.B. nur die Fenster und Türen erneuert werden, kann es zu erheblichen Schimmelpilzproblemen kommen - vor allem dann, wenn sich die Bewohner bezüglich des Lüftens nicht den neuen Gegebenheiten anpassen bzw. nicht darauf hingewiesen wurden, wie diese Objekte nach der Sanierung zu lüften sind.
  • teilweise wurden die in den letzten 55 Jahren gebauten Objekte, vor allem im öffentlichen Bereich, über viele Jahre unzureichend gewartet. Bei Ständerbauten sowie Flachdachkonstruktionen kommt es bei mangelnder Wartung schnell zu Schimmelpilzbelastungen.
  • ältere Bauten, wie z.B. Schlösser, werden häufig anderweitig genutzt als ursprünglich geplant war. So kann es z.B. bei der Nutzung als Museum und dem Einbau einer Luftbefeuchtungsanlage zu Schimmelpilzbelastungen kommen.

Zwei Drittel aller Schimmelschäden sind durch bauliche Mängel bedingt (z.B. Kondensation von Wasser an kalten Oberflächen oder in Bauteilen - Wärmebrücken) und ein Drittel durch den Nutzer (z.B. erhöhte Luftfeuchte, falsche Möblierung).

Wirkungen von Schimmelpilzen

Schimmelpilze können folgende Wirkungen haben:

  • allergene Wirkungen
  • toxische Wirkungen
  • infektiöse Wirkungen
  • geruchliche Beeinträchtigungen.

Im Zusammenhang mit Feuchte- und Schimmelpilzschäden ist auch immer damit zu rechnen, dass eine Belastung mit Bakterien, Hefen, Milben einschließlich Milbenallergenen vorliegt. Werden Schimmelpilzbelastungen als Ursache gesundheitlicher Probleme wie z.B. Allergien vermutet, ist auch zu prüfen, inwieweit Tierallergene wie z.B. Katzenallergene oder Pollen sowie chemische Außenluft- oder Innenraumschadstoffe als Ursache für die gesundheitlichen Beschwerden in Frage kommen.

Sanierung von Schimmelschäden

Zu beklagen ist, dass immer wieder Schimmelpilzsanierungen ohne jedes Problembewusstsein durchgeführt werden. Ziel der Sanierung ist die Herstellung eines „hygienischen Normalzustandes“.

Grundvoraussetzung für eine Sanierung muss sein, dass die Beseitigung der Ursachen, die zum Schimmelpilzwachstum geführt haben, gefunden und beseitigt werden.

Bei Sanierungsmaßnahmen sind gesundheitliche Risiken für Nutzer und Arbeitnehmer zu vermeiden. Unter diesen Gesichtspunkten sollte man sich bei Sanie­run­gen am folgenden Ablaufschema orientieren, wobei die Rangfolge der einzelnen Maßnahmen von dem konkret vorliegenden Schaden abhängig ist:

  • Ermittlung der Ursache für die Feuchtigkeit als Grundlage für den Schimmel­pilzbefall
  • Gefährdungsbeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen bei der Sanierung
  • Gegebenenfalls Übergangsmaßnahmen zur Überbrückung unvermeidbarer zeitlicher Verzögerungen
  • Planung der Sanierung
  • Praktische Durchführung der Sanierung
  • Entfernung des mit Schimmelpilzen befallenen Materials
  • Beseitigung der Ursache (Feuchtigkeit) des Befalls
  • im Bedarfsfall desinfizierende Reinigung der Bauteile, die vom Schimmelpilz befreit wurden
  • gegebenenfalls Trocknung feuchter Bausubstanz
  • Wiederaufbau
  • Feinreinigung des Objektes
  • Abnahme des Bauwerks

Sanierungen bei kleinflächigen Belastungen von weniger 0,4 m² können auch ohne besondere gesundheitliche Risiken schnell durchgeführt werden. Vielfach wird fälschlicherweise empfohlen, den Schimmel mit Essigwasser zu beseitigen. Schimmelpilze gedeihen bevorzugt im sauren Milieu, so dass eine Behandlung mit Essigwasser der falsche Ansatz wäre. Besser eignet sich für eine Beseitigung einfach Wasser oder 80 % Ethylalkohol zur Desinfektion.

Glatte Flächen wie Metall, Keramik oder Glas können so gut gereinigt werden. Bei porösen Materialien wie Tapeten, Gipskarton, Mauerwerk oder Verschalungen gelingt dies nicht! Sie müssen ausgebaut und komplett saniert werden. Gleiches gilt für Polstermöbel und Stühle.

Prinzipiell ist zu beachten, dass parallel zu der Belastung mit Schimmelpilzen auch eine Belastung mit Bakterien, mit Milben usw. vorliegen kann. Dies ist bei der Gefährdungsbeurteilung und bei den Sanierungs­arbeiten zu berücksichtigen.

Konzeption von gesunden Innenräumen

Zum Abschluss des Seminartages stellte Karlheinz Müller von der Firma
Baufritz vor, was dort unter gesundem Bauen verstanden wird. Auf Holzschutzmittel wird generell verzichtet, nachwachsende Rohstoffe haben Vorrang, eine Schadstoffüberwachung während der Bauausführung ist erforderlich – dies sind nur einige Stichworte. Das Gesundheitskonzept wird im Internet vorgestellt unter www.baufritz.de, Stichwort Gesundheitskonzept. Baufritz bietet auch Lösungen für Allergiker an.

Weitere Aktivitäten geplant

Die Organisatoren waren sich einig, dass dieser Veranstaltung weitere Aktivitäten folgen sollten, damit Schreiner Beratungskompetenz auf diesem Gebiet weiter aufbauen können. Parallel zum Seminar wurden Institutionen wie Verbraucherzentralen und Krankenkassen vom Landesfachverband Schreinerhandwerk informiert, dass im Schreinerhandwerk eine besondere Sensibilität für gesundes Wohnen besteht und Beratungskompetenz entwickelt wird. Auch am 21. Juni diesen Jahres soll als Folgeveranstaltung ein Seminar „Gesundes Wohnklima...“, voraussichtlich mit dem Schwerpunkt – Einflussfaktoren auf das Wohnklima / Baubiologie und -ökologie, durchgeführt werden.

Des weiteren ist geplant, in diesem Jahr ein Projekt zu starten, bei dem sich Betriebe zum „Fachbetrieb Gesundes Wohnen“ qualifizieren können. Dabei lassen sich die Teilnehmer entsprechend eines mit den Projektpartnern abgestimmten Qualifizierungskonzepts an mehreren Tagen schulen.

Es wurden bereits Kontakte zu einer Bausparkasse, einer Krankenkasse und zum Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geknüpft, um diese als Projektpartner zu gewinnen.