„Gesundes Wohnklima – Beratung durch den Schreiner“

Seminar im Haus der Wirtschaft, Stuttgart

Was ist unter Baubiologie zu verstehen? Welche ergonomischen bzw. funktionalen Einflüsse sollten bei der Möblierung berücksichtigt werden? Was sollte ein Schreiner über Akustik wissen? – und was hat dies alles mit Gesundheit zu tun?

Diese Fragen und weitere Themen wurden beim Fachseminar „Gesundes Wohnklima – Beratung durch den Schreiner“ am 21Juni 2005 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart erörtert. Veranstaltet wurde das Seminar vom Landesfachverband Schreinerhandwerk Baden-Württemberg, der dort angesiedelten Umweltgemeinschaft im Schreinerhandwerk und vom Informationszentrum für betrieblichen Umweltschutz des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Eine Beteiligung von rund 70 Teilnehmern übertraf alle Erwartungen der Veranstalter.


Bei seiner Einführung zum Thema erläuterte Volker Hägele vom Landesfachverband Schreinerhandwerk BW, den Zusammenhang zwischen Wohlfühlen und Gesundheit: „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als einen Zustand vollständig körperlichen, geistig seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.“

Bei der Veranstaltung drehten sich alle Themen um das Wohlbefinden des Menschen und es wurde verdeutlicht, welchen Einfluss der Schreiner auf ein gesundes Wohnklima nehmen kann.

Baubiologie heute ...

Maximalforderung der Baubiologie ist es, so K.-P. Möhrle – Architekt und Baubiologe aus Freiburg, in unseren Räumen ein natürliches, gesundheitsförderndes, schadstofffreies Wohnklima und ein möglichst unmanipuliertes natürliches Strahlungsklima zu erreichen. In der Baubiologie spricht man von der sogenannten Haut-Funktion, welche die raumumschließenden Flächen (Wände, Decken, Böden, Dach) ausüben sollen.

Undurchlässige Raumhüllen, die nicht über solche Haut-Qualitäten verfügen, schaffen leicht ein stickiges, wenig gesundheitsförderndes Innenklima und führen darüber hinaus auch häufiger zu Bauschäden. Durchlässige und absorptive Raumhüllen mit „Hautqualitäten“ hingegen sorgen ohne aufwendige technische Klimatisierung für positive Luftqualität und wohltuendes Raumklima.

Folgende baubiologischen Kriterien bei der Materialwahl wurden genannt:

  • Allgemein gesundheitliche Bewertung:
    - Toxizität des Baustoffes – Ausgasung / Geruch, Abgabe von Lösemitteln und Inhaltsstoffen (z.B. Formaldehyd)
    - Staub- und Faserbelastung des Baustoffes (z.B. Asbestfasern)
    - Schwermetallbelastung (z.B. Klärschlamm)
    - Radioaktivität (z.B. Keramik)
    - Sonstige allergieauslösende Stoffe
  • Wärme-, Trocknungs- und Feuchtigkeitsverhalten
  • Wäremleitfähigkeit, Hautkontakteigenschaft, Lebensmittelverträglichkeit
  • Langzeitverhalten
  • Elektrostatische Aufladung
  • Diffusionsfähigkeit / Atmungsfähigkeit
  • Absorptionsverhalten, Zellstruktur bei beispielsweise natürlichen Baustoffen
  • Aussehen, Farbe, Struktur, Wirkung
  • Kombinationsfähigkeit mit anderen Baustoffen

Weitere baubiologische Aspekte wie Farben, Licht, Tastsinn/ Geruchssinn, Wärme usw. wurden ebenfalls angesprochen und können auch in den Unterlagen nachgelesen werden. Herr Möhrle stellte anhand einiger Beispiele vor, wie er sich „gesundes Bauen und Wohnen“ vorstellt und diskutierte mit den Seminarteilnehmern darüber.

Elektrosmog

Unter diesem „modernen“ Begriff versteht man die Verunreinigung der Umwelt mit künstlich erzeugten elektrischen und magnetischen Feldern, sowie elektromagnetischen Wellen. Der Begriff „Elektrosmog" wird den tatsächlichen Gegebenheiten wenig gerecht; denn Belastungen durch Felder und Wellen kann man nicht mit den englischen Begriffen Rauch und Nebel beschreiben. Der weniger bekannte Begriff „Elektrostress" beschreibt die wirklichen biologischen Belastungen viel besser. Der menschliche Körper gerät durch Feld- oder Wellenbelastung tatsächlich in einen Stresszustand. Wichtig ist ferner, ob die Belastung tags über in der Aktivphase des Körpers erfolgt, oder nachts im Ruhezustand. Belastungen im Ruhezustand des Körpers können 100-fach schädlichere Auswirkungen auf unseren Körper haben. Deshalb gilt unsere vordringlichste Forderung nach einem feldfreien oder zumindest feldarmen Schlafplatz.

Folgende Unterscheidung, sowie Probleme mit möglichen Maßnahmen stellte Herr Möhrle in seinem zweiten Vortrag zu diesem Thema heraus:

  • Elektrosmog durch Elektro-Hausinstallation
  • Elektrosmog durch Starhlenbelastung (z.B. Mobilfunk)

Probleme entstehen durch zunehmende Elektroinstallation/Elektrogeräte im Haushalt, durch zunehmende Anzahl an Mobilfunkgeräten/ bzw. Antennen, durch unbedarfter Umgang (beispielsweise Elektrogeräte im Schlafbereich) und durch die Technisierung im Arbeitsalltag (Computer usw.).

Maßnahme zu 1.: Schutzfunktion durch abgeschirmte Kabel und Netzfreischalter. Maßnahme zu 2.: Abschirmung durch Baumaterial und Bauweise. Folgende Verkleidungsmaterialien wurden genannt: Platten, Folien, Geflechte unter Putz, Holz-Alu-Fenster mit Wärmeschutzverglasung, Tapeten, Vorhänge und Farben.

Weitreichende Informationen zum Thema Elektrosmog findet man auf der Internetseite: www.elektro biologie.com (Anmerkung des Autors).

Möblierung und Ergonomie

„Kultur .... ist die Art und Weise eines Volkes, einer Epoche zu leben und zu wohnen“, begann der nächste Referent, Gottfried Laws, ebenfalls Architekt und Baubiologe aus Stühlingen, seinen Vortrag. Welche Grundsätze bei der Möblierung unter Berücksichtigung funktionaler Einflüsse zu beachten sind, war das Thema dieses Vortrags. Dabei sollte das Thema Feng Shui ebenfalls berücksichtigt und einführend angesprochen werden.

Unter Wohnphysiologie versteht Herr Laws die Anpassung von Arbeit, Arbeitsraum und Platz an den Menschen. Diese hat sich aus der Ergonomie entwickelt. 50 % der Erwachsenen leiden in mindestens einem Lebensabschnitt an Wirbelsäulenbeschwerden. Grund genug, sich über Sitzmöbel und Arbeitsplätze unter ergonomischen Aspekten Gedanken zu machen.

Bei gekrümmter Sitzhaltung ist die Belastung der Bandscheiben um 80 % höher als beim Stehen. Daher kann als richtige Sitzposition eine gestreckte, aufrechte Haltung bei gerade gehaltenem Kopf genannt werden.

Die Rückenlehne eines Ruhesessels sollte 8-14 cm über der Sitzfläche liegen, einen konvexen Lendenbausch und in Höhe der Brustwirbelsäule eine leicht konkave Form aufweisen. Die Höhe der Armlehnen sollte ca. 26 cm betragen. Die Sitzfläche sollte mittelhart gepolstert sein, die Neigung ca. 23° und der Winkel zur Rückenlehne 105 –110° betragen.

Als Empfehlung für Arbeissitze wurde eine Sitzhöhe je nach Körpergröße von 42-56 cm genannt. Das Knie sollte ca. 5 –10 cm höher als die Vorderkante des Stuhls liegen. Dabei sollte die Sitzfläche unter dem Gesäß etwas eingemuldet, die Oberfläche rauh (um nicht abzurutschen) und die vordere Sitzkante gerundet sein.

Des Weiteren wurden Anforderungen an Arbeitstische, Arbeitsplätze und Schlafplätze jeweils auch als „Feng Shui Anforderungen“ genannt. Beim abschließenden „Rundgang“ zeigte Herr Laws anhand von Bildern einiger Objekte, wie diese Anforderungen in der Praxis umgesetzt wurden.

Beleuchtung

Zur gesunden Ausleuchtung eines Raumes gehört die exakt geplante Anzahl der Lichtquellen und ihre optimale Plazierung, die von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist. Zum Beispiel müssen Einfall des Tageslichts, Farbgebung der Wände und Decken, der Möbel und Teppiche berücksichtigt werden. Ein professionell geplantes Beleuchtungssystem sorgt nicht nur für die ideale Ausleuchtung der Wohnung, es gestaltet auch gleichzeitig den gesamten Raum. Durch die gezielte Plazierung der Lichtquellen werden selbst ungünstig geschnittene Räume optisch harmonisiert und gewinnen so an Atmosphäre.

Ein starker Hell-Dunkelkontrast strengt unsere Augen an, wir ermüden dadurch leichter.

Herr Laws nannte folgende Anforderungen an die künstliche Beleuchtung:

  • Gute Sehbedingungen schaffen
  • Je nach Bedarf Arbeitsfreude oder Behaglichkeit und Entspannung hervorrufen
  • Gestalterisch und ästhetisch wirken
  • Möglichst keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verursachen (E-Smog, UV-Strahlung)
  • Harmonische Formen und Maße

Wichtig dabei ist das Beleuchtungsniveau und die Helligkeitsverteilung, die Begrenzung von Blendung und Zwielicht, die Lichtrichtung und Schatten, sowie Lichtfarbe und Farbwiedergabe.

Unterschieden hat Herr Laws zwischen direkter und indirekter Beleuchtung, die beispielsweise durch Arbeitsplatzleuchten ergänzt werden kann.


Beleuchtung direkt mit Arbeitsplatzleuchte Beleuchtung indirekt mit Arbeitsplatzleuchte

Am Ende nannte er mögliche, einsetzbare Lampen wie: Standart-Glühlampen, Niedervolt-Halogenglühlampen, 230 V Halogenglühlampen, Leuchtstofflampen Standart, Leuchtstofflampen Vollspektrum, Wendel-Biolicht-System, die Kombination Glühlampen und Vollspektrum sowie die persönliche Einschätzung der jeweiligen Vor- und Nachteile.

Akustik in Innenräumen

Für die Beurteilung der akustischen Behaglichkeit in Innenräumen unterschied Herr Joachim Zander, Diplom-Physiker beim Ingenieurbüro Kurz und Fischer in Winnenden, zwischen Raumakustik und Bauakustik.

Unter Raumakustik versteht man die Sprachverständlichkeit, die Hörsamkeit von Musik, die Raumschalldämpfung und die Halligkeit in einem Raum. Bei der Bauakustik geht es um Schallschutz wie dem Schutz vor Geräuschen aus angrenzenden Räumen und dem Schutz vor Geräuschen von außen, wie z.B. dem Straßenverkehr. Hierbei wird zwischen Luftschall und Körperschall (Trittschall) unterschieden.

Raumakustik

Mit der Raumakustik hat der Schreiner hauptsächlich bei der Herstellung von Wand- und Deckenbekleidungen und beim Einbau montagefertiger Wand- und Deckenbekleidungen zu tun.

Die 3 wichtigsten Begriffe in der Raumakustitk sind der Schallabsorptionsgrad a S, die äquivalente Schallabsorptionsfläche A und die Nachhallzeit T.

Der Schallabsorptionsgrad beschreibt das Verhältnis zwischen absorbierter und auftreffender Schallenergie. Ein a S = 0 entspricht einer vollständigen Reflexion, ein a S = 1 entspricht einer vollständigen Absorption.

Die äquivalente Schallabsorptionsfläche A ist das Produkt vom Schallabsorptionsgrad a S und der Fläche des vorliegenden Bauteils.

Die Nachhallzeit T beschreibt die Halligkeit. Je größer die Schallabsorptionsfläche A, desto kürzer ist die Nachhallzeit T!

Folgende Raumakustische Planungsziele können genannt werden:


=> Diese Planungsziele machen den Einbau von schallabsorbierenden Akustikbekleidungen erforderlich.

Im Vortrag wurden einige Ausführungsbeispiele für verschiedene Objekte mit unterschiedlicher Zielsetzung und daraus resultierender Planung und Realisierung vorgestellt. Hierbei wurde auf Akustikbekleidungen als poröse Absorber, als Plattenschwinger, Helmholtzresonatoren oder Lochplattenschwinger eingegangen.

Bauakustik

Bei der Bauakustik wurden zunächst am Beispiel von Fenstern grundlegende Definitionen von Schalldämmmaßen erläutert. Zu beachten gab Herr Zander, dass die Schalldämmung von kompletten Fenstern nicht gleich der Schalldämmung von Verglasungen ist!

Nach VDI-Richtlinie 2719 werden Fenster in folgende Schallschutzklassen eingestuft:

Schall-
schutz-
klasse
Bewertetes Schall-
dämm-Maß Rw des am
Bau funktionsfähig
eingebauten Fensters
Erforderliches bewertetes
Schalldämm-Maß Rw,P des
im Prüfstand funktionsfähig
eingebauten Fensters
1
2
3
4
5
6
25 bis 29 dB
30 bis 34 dB
35 bis 39 dB
40 bis 44 dB
45 bis 49 dB
mehr als 50 dB

größer 27 dB
größer 32 dB
größer 37 dB
größer 42 dB
größer 47 dB
größer 52 dB

=> bei Fenstern ist ein Vorhaltemaß von 2 dB zu berücksichtigen!

=> für einen wirtschaftlichen Schallschutz ist es sinnvoll, exakte Zahlenwert-Vorgaben für das erforderliche bewertete Schalldämmmaß im eingebauten Zustand erf. R w zu machen.

Einflussgrößen auf die Schalldämmung von Fenstern sind:

  • Art der Verglasung
  • Art und Anzahl der Dichtungen
  • Scheibengröße
  • zu öffnendes Fenster oder Festverglasung
  • Stulpfenster oder Pfostenkonstruktion

Die schalltechnische Dimensionierung von Fenstern ist nach Tab. 40 der DIN 4109 Bbl.1 /A 1: 2003-09 durchzuführen.

Häufige Schallschutzmängel durch unzureichende Schalldämmung bei Fenstern sind:

  • Undichtigkeiten von Fensterdichtungen
  • Undichtigkeiten zwischen Baukörper und Fenster
  • Schalldämmung der verwendeten Verglasung unzureichend (Fenster schalltechnisch falsch bemessen oder „falsche“ Verglasungen eingebaut)

Anforderungen an Türen mit erhöhten Schallschutzanforderungen (z.B. Wohnungseingangstüren in Geschosshäusern) werden in der DIN 4109 beschrieben.

Für den direkten Zugang in Aufenthaltsräume ist ein erf. R w von 37 dB vorgegeben. Handelt es sich um einen indirekten Zugang über einen Flur bzw. eine Diele, ist ein erf. R w von 27 dB ausreichend. Hierbei ist ein Vorhaltemaß von 5 dB zu berücksichtigen (Schalldämmmaß im Prüfstand um 5 dB höher als am Bau)!

Konstruktionsmerkmale von Türen in Abhängigkeit der Schalldämmung werden in der VDI-Richtlinie 3728 beschrieben. Die Einflussgrößen auf die Schalldämmung von Türen sind:

  • Art und Größe des Türblattes
  • Art und Anzahl der Dichtungen
  • Einbau von Verglasungen in die Tür
  • Art der Zarge und der Beschläge

Häufige Schallschutzmängel durch unzureichende Schalldämmung bei Türen sind

  • Fehlerhafte Auswahl des Türsystems
  • Undichtigkeiten zwischen Türblatt und Zarge
  • Undichtigkeiten an Bodenfuge
  • Ebenenversatz der Zargendichtungen und der Bodenfugendichtung
  • Mängel beim Einbau der Zarge
  • Schwimmender Estrich ohne schalltechnische Trennung bei Türen R w ≥ 32 dB
  • „Systementwicklung am Bau“

Des Weiteren wurde der Schallschutz bei Trennwänden und Holzfußböden ausführlich behandelt und dazu wichtige Empfehlungen bzw. Hinweise gegeben.

ie Referenten haben zu ihren Vorträgen Unterlagen bereitgestellt, die als Tagungsmappe ausgeteilt wurden. Die rege Beteiligung gibt den Veranstaltern Anlass, sich über weitere Veranstaltungen dieser Art Gedanken zu machen.

Es wurde auch auf die Qualifizierungsinitiative zum „Fachbetrieb für Gesundes Wohnen“ des Landesfachverbandes hingewiesen, zu der sich bereits eine ganze Reihe weiterer Interessenten gemeldet haben.

Ansprechpartner:
Volker Hägele
Landesfachverband Schreinerhandwerk Baden-Württemberg
Danneckerstr. 13
70182 Stuttgart
Telefeon.: 0711/16441-12