Im Norden gibt's Schiffe

Studienfahrt ins Oldenburger Land

Der Ausbau von Schiffen gilt immer noch als die Königsdisziplin unter den Tischlern. Alles ist krumm und schief und der zumeist etwas exklusivere Kunde wünscht eine höchst individuelle Ausstattung. Die Umweltgemeinschaft hat sich deshalb in diesem Jahr in den Norden aufgemacht, wo die großen Schiffsbauer angesiedelt sind. Der bekannteste – die Meyerwerft in Papenburg – ist schon eine beeindruckende Dimension. Für Kreuzfahrtschiffe mit einer Länge bis zu 330 m braucht es schon eine etwas größere Werkstatt. Bis zu 4000 Menschen müssen auf den Schiffen untergebracht werden. Kreuzschifffahrt liegt im Trend, aber der Druck ist immens, in jedem Schiff ein neues, exklusives Event einzubauen. Von Theatern mit mehreren tausend Sitzplätzen, 230 m langen Wasserrutschbahnen, Golfplätzen oder Brauereien – es gibt fast nichts, was man auf einem Kreuzfahrtschiff nicht unterbringen kann. Bei bis zu 4 Jahren Vorplanung muss die eigentliche Fertigung in kürzester Zeit erfolgen. Der Leiter der Besichtigung erläuterte, wie durch gezielte "Werkstattoptimierung" mehr als 30 Prozent der bisherigen Fertigungszeiten eingespart worden sind – und weitere 20 Prozent sind anvisiert mit viel aktiver Hilfe der Mitarbeiter.

Bildschirmbullauge bei der MeyerwerftMehr als 1800 Zulieferfirmen stellen das Rückgrat der Meyerwerft. Hier werden just in time die Container angeliefert und in die einzelnen Module eingebaut. Jede Kabine wird in 3,5 Stunden in einer Fließfertigung zusammengestellt und dann als Modul in den Schiffsbauch eingeführt. Dann braucht es nur noch ca. 3000 km Kabel, damit auch alles funktioniert. Interessanterweise werden alle Schränke nicht aufgestellt, sondern an der Decke aufgehängt, damit sie auch bei höherem Seegang nicht ins Kippen kommen. Und wenn die Kabine keine Außensicht hat, baut man einfach ein "Bildschirmbullauge" ein, wo die gewünschte Außenwelt vorgespielt wird.

Trockenbereich der Oldenburger WerkstättenNachmittags konnte sich die Umweltgemeinschaft einen Eindruck über den handwerklichen Schiffsausbau bei den Oldenburger Werkstätten in Dinklage machen. Mehr als 180 Mitarbeiter bauen hier bis zu 6 Schiffe pro Jahr aus, die aber jeweils Gesamtlängen bis zu 150 m haben können. Daneben ist die Firma auch im Laden- und Flugzeugbau tätig. Allein 45 Mitarbeiter sind in der Planungsabteilung, um die doch teilweise recht ausgefallenen Wünsche der Schiffseigner zu erfüllen. Auf über 6.000 m² entstand in diesem Jahr ein zweiter Betriebsstandort für die Endmontage und die Oberfläche. Die Anlagen waren bei der Besichtigung erst wenige Wochen alt und man kam sich als Besucher eher wie in einer Chipfabrik vor. Alles total sauber, klinisch rein, mit Zugangskontrollen zu den Spritzbereichen damit auch kein Härchen sich unbefugt auf eine Oberfläche absetzen kann. Vier große Spritzkabinen sind hier untergebracht, die jeweils eine Luftleistung bis zu 60.000 m³/h erzeugen können. Große querbelüftete Trockenbereiche können auf 35 Grad angeheizt werden und sorgen für eine schnelle Verarbeitung. Der Schleifbereich beinhaltete 4 große Schleifbereiche, die als Raumbelüftung ausgelegt sind. Die Absaugungen der riesigen Luftmengen sind allesamt mit Wärmerädern ausgestattet, um den Wärmeverlust bis zu 70 Prozent zu reduzieren. Denn die Holzfeuerung hat hier immer weniger zu tun. Die sich stetig verschärfenden Brandschutzanforderungen sorgen dafür, dass immer mehr Aluminium, Sandwichplatten und anderen Mischplatten eingesetzt werden, die A1 Qualität haben müssen. Die dabei entstehenden Reste ruinieren jede Feuerungsmulde und müssen möglichst getrennt erfasst werden.

Im Showroom werden sogenannte Mock-ups für die Kunden aufgestellt. Sie stellen eine modulweise Zusammenstellung der wichtigsten Materialien dar, damit mit dem Kunden die Feinheiten der Konstruktion durchgesprochen werden. Und dabei kommt Ziegenleder genauso zum Einsatz wie Metalle in allen Schattierungen oder Rohrgeflechte – schließlich gilt es ja auf der Einweihungsparty die anderen Schiffseigner angemessen zu beeindrucken.

Als letzter Punkt der Studienfahrt ging es in luftige Höhen. In 65 m Höhe auf der Aussichtsplattform auf einem großen Windrad hat man einen Überblick über die Zukunft der Energieerzeugung. Bis zu 7,5 MW können inzwischen von den Windkraftanlagen erzeugt werden. Für die Aufstellung der Rotoren mit einem Durchmesser von 120 m sind mehr als 100 Lkw-Ladungen allein für den Aufstellkran erforderlich. Der Ausbau an Land wie auch Offshore vor der Küste schreitet mit großen Schritten voran. So kann man sich durchaus die Zukunft auch ohne Atomkraft vorstellen.

Ansprechpartner:
Helmut Haybach
Technologie-Zentrum Holzwirtschaft GmbH
Kreuzstr. 108-110
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Haybach@TZHolz.de